Das Hernergut in Horgen
Wenn auch das Hernergut in Horgen mit seiner imposanten Villa
während fünf Generationen im Eigentum der gleichen Familie blieb,
so darf es dennoch auf eine bewegte Zeit zurückblicken.
Beginnen wir mit dem Jahr 1840, als der Schwiegervater meines
Urgrossvaters, Hans Heinrich Hüni-Stettler, besagte Villa mit etwa
30 Zimmern erbauen liess in der Meinung, darin nicht nur seine
Familie unterzubringen, sondern auch das florierende
Seidenverlagsgeschäft Hüni & Fierz.
Zu einem stattlichen Haus gehört es sich, dass auch ein
entsprechender Garten angebaut wird. In idealer Weise liess sich
mit dem Erdaushub der Villa unterhalb der neu erstellten
Seestrasse (1840) halbkreisförmig einen solchen anlegen. Durch
den Bau des Eisenbahntrassees durch die Nordostbahngesellschaft
1876 gab es weiteren Aushub, und zwar in einem bedeutenden
Ausmass, der dann die grosse Parkanlage ermöglichte. Mittendrin
wurde eine Sequoia dendron, wir nennen es Mammutbaum,
gepflanzt. Diese Sequoia war während beinahe 150 Jahren des
Juwel des Parkes, bis sie durch einen Sturm derart beschädigt
wurde, dass sie im Jahre 2022 in einer spektakulären Aktion gefällt
werden musste; sie mass 11 Meter im Umfang, 2,90 im
Durchmesser und war ganze 40 Meter hoch. Der drei Meter hohe
Strunk legt Zeugnis ab über die Vergänglichkeit jeden Lebens.
Neben dem Landgut Herner lag der Weiler „Heilibach“. 1839
kauften Hans Caspar Streuli-Maurer und Hans Caspar Baumann-
Hüni zusammen das grosse Haus im Landgut, genannt Rosenberg.
Es sollte als Wohnhaus für die Familie Streuli und als Geschäftssitz
der eben gegründeten Firma Baumann & Streuli dienen. Und wie
das Schicksal so schön spielt, fanden die Tochter des einen Gutes,
Mina Hüni, im Jahre 1864 mit dem Sohn des anderen Gutes, Emil
Streuli, zusammen. Mit anderen Worten: sie heirateten. So
ergänzten sich nicht nur zwei Herzen, sondern auch zwei
nebeneinander liegende Grundstücke!
Es ergab sich, dass Emil Streuli, mein Urgrossvater, 1873 wenige
Jahre nach der Heirat von seinem Schwiegervater Heinrich Hüni
Landgut und Villa übernehmen konnte. Emil war eine
ausserordentlich starke Persönlichkeit; das hat er schon bewiesen,
wie er 1859 als 19jähriger Volontär nach New York in die
geschäftsvertretende Seidenagentur Aschmann ging, um seine
Berufskenntnisse zu erweitern und Beziehungen zu knüpfen. So
kam es, dass nach Übernahme des Hernergutes, dass dem Garten
noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Es wurde 1899 vor
dem Landgut eine kleine Insel erstellt, auf die dann kurz darauf der
bekannte Badepavillon zu stehen kam.
Ein weiterer Erdaushub 1923 durch den Bau des zweiten SBB-
Geleises erlaubte es dem Sohn, Emil Streuli jun., die Insellage des
Badepavillons mit dem übrigen Garten zu verbinden. Wie seine
Vorfahren liess er Bäume und Sträucher mit einem bekannten
Gartenarchitekten nach seinen eigenen Vorstellungen zu einem
einmaligen Anwesen gestalten, das sehr grosse Beachtung im In-
und Ausland findet.
Auf den Alleineigentümer des Hernergutes folgten seine Töchter,
Susi Streuli und meine Mutter Margrith Schulthess-Streuli, und
schliesslich nach deren Hinschied durch verständnisvolles
Zusammengehen der nachfolgenden Geschwister liegt nun in Form
der Hernerstiftung der Park in seiner Einheit vor.
Der Badepavillon in Horgen
Der Seidenindustrielle Heinrich Emil Streuli-Hüni (1839-1915) liess
im Jahre 1901 vor dem Seegrundstück seines Landgutes in Horgen
einen Seepavillon erbauen. Beauftragter Architekt war Professor
Albert Müller, Bauleiter, vermutlich der Vater von Schriftsteller Max
Frisch, Franz Bruno Frisch, der auch die Pläne zeichnete und
unterschrieb.
Der Pavillon, im Neurokoko Stil erbaut, ist der Amalienburg im
Schlosspark von Nymphenburg bei München nachempfunden. Die
Steinskulpturen an der Fassade schuf Paul Abry, ein Elsässer in
Zürich, die Stuckaturen im Innern wurden hingegen von der Firma
Füglister in Karlsruhe ausgeführt. Die Malereien stellen
Familienangehörige in ihrer frühen Jugend dar.
Der Seepavillon ist als Badehaus über dem Wasser gebaut mit
einem grösseren, reich mit Stuckaturen dekorierten
Aufenthaltsraum und zwei Umkleidekabinen, je für Damen und
Herren gedacht, von denen man - von aussen ungesehen – mit
Treppen in den See steigen konnte. Dort liess es sich ungeniert im
tiefen Gewässer baden und schwimmen. In unseren Zeiten verläuft
alles etwas sorgloser.
Eine umfassende Renovation, an der sich neben dem Eigentümer
die Kantonale Denkmalpflege und die Gemeinde Horgen
beteiligten, fand im Jahre 2003 statt und wurde von der
Europäischen Kulturkommission Europa Nostra im Jahre 2006 mit
einer Medaille ausgezeichnet.
Heute wird der Pavillon für private Zwecke (Konzerte, kleine
Bankette, Hochzeiten, Taufen usw.) verwendet; im Zusammenhang
mit dem Park lassen sich aber auch grössere Anlässe
(Theateraufführung, Konzerte, Déjeuners sur l'erbe) durchführen.
Ich hoffe sehr, ich konnte Ihnen in wenigen Sätzen das Wesentliche
zu diesem verträumt und verwunschen liegenden Juwels am
Zürichsee erklären.
Hans Georg Schulthess
Parkbesitzer - Stiftungspräsident
Geschichte des Hernerparks